Eines der großen Themen in der Hundewelt: die „Auslastung“. Körperliche und geistige Beschäftigung ist ein Grundbedürfnis von Hunden! Dass Hunde genug Bewegung brauchen – rasseabhängig die einen mehr, die anderen weniger – ist wohl jedem klar und eine der wichtigsten Fragen, die man sich schon vor der Anschaffung eines Hundes überlegt. Seit immer mehr „Spezialisten“ wie Jagd- und Hütehunde bei uns als Familienhunde gehalten werden, spielt auch die richtige Auslastung eine immer größere Rolle, denn: Ein Border Collie, ein Aussie oder Magyar Vizsla muss ja entsprechend beschäftigt werden. Am besten vielfältig und abwechslungsreich. Am Dienstag ist Agility und am Donnerstag Flyball angesagt, Freitags die große Runde mit allen Hundekumpels, am Samstag ist Hundeschule und am Sonntag findet ein schöner Ausflug mit der ganzen Familie statt.

Ist der Hund trotzdem unruhig und nervös oder hektisch und reaktiv? Dann ist er wohl noch nicht genug ausgelastet. Oder?

Unsere Ansprüche und die unserer Umwelt an Hunde haben sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Viele Hunde und ihre Halter haben buchstäbdlich genug damit zu tun, den Alltag „sozialverträglich“ zu meistern. Bellen an der Grundstücksgrenze, wenn sich Fremde nähern, oder ein paar Karnickel erlegen (früher die Aufgabe vieler Hunde) – bloß nicht! Im städtischen Wohnumfeld soll ein Hund nicht einmal bellen, wenn ein Fremder in der Wohnungstür steht (weil es im Zweifel der Postbote oder ein Handwerker ist). Dafür müssen Hunde heute mit so vielen Reizen klarkommen wie nie zuvor, vom gewaltig gestiegen Verkehrsaufkommen, Lärm und Abgasen bis zu zahllosen Begegnungen mit fremden Hunden und Menschen in jedem Stadtpark. Dabei sollen sie natürlich immer lieb sein, rennende Menschen nicht fröhlich anspringen, nichts von den herumliegenden Grillresten fressen, mit jedem beliebigen Artgenossen nett spielen wollen und dann daheim bei Abendessen still in ihrem Körbchen liegen …

Wir sollten nicht vergessen, dass all das für unsere Hunde anstrengend ist. So viel für uns Alltägliches gelassen und gehorsam mitzumachen, ist eine Leistung! Und nur, weil der Hund etwas begeistert mitmacht, ist es noch lange nicht „gut“ für ihn, denn wie jeder Halter eines Balljunkies weiß: Hunde sind leicht auf bestimmte Reize „angefixt“, gerade die Spezialisten unter ihnen. Ja, ein solcher Hund rennt auch beim dreißigsten Wurf noch dem Bällchen hinterher, aber das ist weder gesunde Bewegung noch fördert es Ruhe und Gelassenheit. Das gilt für viele Arten der Beschäftigung mit starken Bewegungsreizen.

Die meisten Hunde sind tatsächlich eher über- als unterfordert von unserem Alltag, oder vielmehr falsch gefordert: angestrengt und nicht befriedigend „müde gearbeitet“. Hunde, die selbst über ihren Tag bestimmen, wie etwa Straßenhunde, verbringen den Großteil ihrer Zeit – um die 18 Stunden täglich – mit Dösen und Schlafen! Ansonsten wird Futter gesuche und die Umgebung gründlich abgeschnüffelt, und nicht strammen Schrittes möglichst viel Strecke zurückgelegt. Selbst Arbeits- und Gebrauchshunde arbeiteten früher vergleichsweise wenig! Ein arbeitender Border Collie ging weder morgens mit ins Büro noch wochenlang die Wände hoch, weil ihm die tägliche „Auslastung“ fehlt, wenn die Schafe ihre Lämmer bekommen haben und er Saisonpause hat. Jagdhunde verschliefen den Großteil des Tages in ihrem Zwinger oder vor dem Ofen und gingen keineswegs tagtäglich auf die Jagd. Übererregung, hektisches Gekreische, wie man sie auf vielen Hundesport-Plätzen sieht, wären bei einem Hund mit einer echten Aufgabe ein No Go.

Was sollten wir also anstreben?

Einen Hund im Gleichgewicht! Lernen Sie Anzeichen für Stress bei Ihrem Hund kennen. Denken Sie dabei auch daran, dass Stress und Überreizung sich oft zuerst in Übersprungsverhalten äußern: Das ist Verhalten, das im gegebenen Kontext unangemessen wirkt und keine Funktion erfüllt außer – Stressabbau. Das kann hektisches Herumrennen oder Bellen sein, nerviges Aufreiten oder allzu ruppiges „Spiel“, das eigentlich keins mehr ist. Weitere mögliche Anzeichen für Stress:

 Aufgerissene Augen, in denen viel Weiß zu sehen ist
• Anspannung der Muskulatur um die Augen herum, Stirnfalten
• Ohrenansatz nach hinten gerichtet
• Züngeln, Speicheln
• Hecheln mit „löffelförmiger“ Zunge (mit aufgerollten Rändern)
• Hecheln mit langer Maulspalte und „Stressfalten“ hinter den Mundwinkeln
• Schuppenbildung, gesträubtes Fell
• Häufiges Gähnen
• Durchfall/dünner Kot, häufiges Urinieren oder Markieren
• Hohe Körperspannung, angespannte Muskulatur

Wenn Sie solche Anzeichen bei Ihrem Hund bemerken, machen Sie eine Pause und überlegen Sie, welche Reize in dieser Situation zu viel waren oder ob die Situation insgesamt vielleicht einfach zu lang gedauert hat. Machen Sie ab und zu einen bewussten „Bummelspaziergang„, bei dem Ihr Hund an jedem Grashalm schnüffeln darf, der ihn interessiert. Nehmen Sie Tempo raus! Setzen Sie öfter auf ruhige, konzentrierte Beschäftigung wie Nasenarbeit. Das können Futter-Suchspiele sein, die Suche nach bestimmten Gegenständen oder anspruchsvolle Aufgaben wir Geruchsdifferenzierung. Schon mit einfachen Mitteln wie ein paar Leckerlis in PapprollenKartons und so weiter, können Sie Ihren Hund ganz „unaufgeregt“ beschäftigen und werden mit einem rechtschaffen müden, entspannten Hund belohnt.