Dass Hunde fühlen, ist für jeden Hundehalter eigentlich selbstverständlich. Ein Wissenschaftler jedoch hätte es noch vor 20 Jahren kaum gewagt, bei Hunden von „Gefühlen“ oder gar „Liebe“ zu sprechen. Doch in den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche Studien unser Bild von tierischen Emotionen wie auch unser Bild des Hundes auf den Kopf gestellt. Verhaltensbiologen tun es längst nicht mehr als „Vermenschlichung“ ab, wenn wir Hunden Emotionen zusprechen. Im Gegenteil, viele Wissenschaftler vergleichen das Verhältnis zwischen Hund und Mensch inzwischen ganz selbstverständlich mit dem zwischen Kindern und Eltern. Woher können wir also wissen, was Hunde fühlen?

Wir normalen Hundehalter würden sagen: „Klar freut der sich, das sehe ich doch.“ Wissenschaftlich betrachtet sind Emotionen aber ein ziemliches Problem: Man kann Gefühle an sich nicht sehen, nicht messen – nur ihre Begleiterscheinungen wie Mimik oder hormonelle Reaktionen. Menschen kann man zu ihren Gefühlen immerhin noch befragen, Hunde natürlich nicht.

Dennoch gilt es heute als wissenschaftlich gesichert, dass Hunde „fühlen“, und auch in der Frage, was sie fühlen, gibt es große Fortschritte.

Die psychische Komponente der Emotion können wir immer noch nicht messen, aber wir wissen: Eine Emotion entsteht als Folge von Sinneswahrnehmungen, die im Gehirn interpretiert werden. Je nachdem, wie diese Interpretation ausfällt, löst sie eine physiologische Reaktion aus, etwa eine Stressreaktion im Organismus, falls das Wahrgenommene als potenziell gefährlich interpretiert wird. Diese körperlichen Reaktionen sind auch bei Hunden sehr gut messbar.

Bis vor einiger Zeit gab es zur Beobachtung von Vorgängen im tierischen Gehirn selbst nur eingeschränkte und obendrein sehr unschöne Möglichkeiten des Tierversuchs. Dass bestimmte Gehirnareale mit bestimmten Verhaltensweisen in Zusammenhang stehen, ließ sich so aber schon einmal nachweisen.

Beim Menschen kam man mit der Magnetresonanztomographie (MRT, auch MRI oder Kernspintomographie genannt) einen großen Schritt weiter. Vereinfacht ausgedrückt, konnte man nun in das Gehirn eines Menschen hineinschauen, während dieser „in der Röhre“ lag und ihm z.B. Bilder oder Gerüche präsentiert wurden. Dieser Mensch konnte dem Forscher dann sagen, was er gefühlt hatte. So war es also möglich, bestimmte Gehirnarealen bzw. -aktivitäten bestimmten Gefühlen zuzuordnen.

Genau solche Forschung hatte der amerikanische Neurowissenschaftler Gergory Berns viele Jahre lang bei Menschen durchgeführt. Und sich oft gewünscht, so etwas ginge auch mit Hunden! Aber wer schon einmal in einem MRT lag, weiß, wie unheimlich das sein kann, laut und eng … Hunde muss man dafür eigentlich in Narkose legen, und dann sind diese Gehirnaktivitäten nicht mehr zu beobachten.

Gregory Berns ließ sich nicht entmutigen und trainierte mit seinem eigenen Hund, sich einen Ohrenschutz aufsetzen zu lassen, den Kopf auf eine Stütze am Gerät zu legen und 30 Sekunden lang völlig still zu halten. Callie, so hieß die Hündin, lernte in monatelangem Training über positive Verstärkung, das völlig freiwillig zu tun (sie konnte den Magnetresonanztomographen jederzeit verlassen). Und es klappte: Berns konnte ihre Hirnaktivitäten messen. Für seine erste wissenschaftliche Studie mit dieser Methode wurden weitere Hunde trainiert und gescannt.

Der Neurowissenschaftler war nun in der Lage, Parallelen zwischen dem Hundehirn und dem von Menschen zu ziehen. Menschen bekamen angenehme Reize präsentiert und beschrieben positive Emotionen, wenn im MRT Aktivität im Nucleus caudatus (ein Teil des Gehirns zwischen Hirnstamm und Hirnrinde) zu sehen war. Berns präsentierte den Hunden während des Scans z.B. Futter oder den Geruch einer vertrauten Person und stellte Aktivität in genau demselben Bereich des Gehirns fest. Daraus lässt sich schließen, dass die angenehmen Dinge in diesem Moment positive Emotionen bei den Hunden weckten.

Berns nannte sein Buch über diese Pionierarbeit How Dogs Love Us – „Wie Hunde uns lieben“.

Im ersten Teil des Artikels haben wir die rein körperlichen Ähnlichkeiten zwischen Hunden und Menschen angesprochen, die Wissenschaftler zu dem Schluss führen, dass Hunde sehr ähnliche Emotionen haben wie wir.

Hunde träumen. Sie schütten bei Kontakt mit ihren Bezugspersonen Oxytocin aus (das „Kuschelhormon“). In der Tiermedizin gibt es die Diagnose „Depression“ bei Hunden. Wenn Hunde Angst haben, ist das an denselben körperlichen Parametern messbar wie bei uns. Forscher wie Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, sprechen bei Tieren inzwischen von Enttäuschung, Selbstvertrauen oder Hilflosigkeit.

Emotion oder Gefühl?

Wir vermischen umgangssprachlich Gefühl, Emotion, Empfindung etc. ziemlich willkürlich. Vor dem Hintergrund der modernen Neurobiologie müssen wir genauer hinschauen, um einzuordnen: Was wissen wir bisher über die Emotionen von Hunden, und was nicht?

Anhand der sehr ähnlichen „Hardware“ kann man heute bei Hunden und vielen anderen Tieren von den so genannten universellen Emotionen ausgehen: Freude, Trauer, Liebe, Hass, Wut und Angst sind die Emotionen, die auch bei allen Menschen unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft auftreten. Alle diese Emotionen sind evolutionsbiologisch sehr alt und wertvoll, und nicht willentlich steuerbar. Man könnte sagen, sie sind eine körperliche Reaktion in Form von Botenstoffen, Puls etc., eine Art automatisch ablaufendes Programm, das auch bestimmte Handlungen auslöst.

Was wir hier als „Gefühle“ bezeichnen wollen, ist hingegen alles andere als universell oder messbar, auch beim Menschen nicht. Gefühle sind viel kognitionsbezogener und komplizierter, weil sie Dinge wie bewusste Erinnerungen, Zukunftsgedanken oder gesellschaftliche Erwartungen beinhalten. Deshalb sind sie auch bei uns Menschen nicht universell – dazu sind unsere Werte, Kulturen, sozialen Normen, persönlichen Erfahrungen viel zu unterschiedlich. Vereinfacht könnte man sagen: Ein Gefühl beinhaltet eine Wertung. Scham oder Schuld beispielsweise setzen moralische Werte voraus. Wir haben unsere ganz persönlichen ethischen Maßstäbe oder soziale Normen nicht erfüllt. Das sind Werturteile. Wenn wir nicht wissen, dass „man etwas nicht tut“, können wir uns auch nicht dafür schämen. Gefühle können sehr mächtig sein, aber wir Menschen können sie willentlich beeinflussen, indem wir etwa Kindheitserfahrungen aufarbeiten, uns Werturteile bewusst machen oder unsere Denkweise über bestimmte Dinge verändern.

Und das können Hunde, soweit wir wissen, eben nicht.

Warum ist das so wichtig?

Dieser Unterschied ist enorm wichtig für unseren ganz alltäglichen Umgang mit dem Hund. Angst z.B. ist eine Emotion und damit willentlich nicht steuerbar. Es ist also Unsinn, zu glauben, wir könnten die Angst unseres Hundes durch Zuwendung verschlimmern. Im Gegenteil: Social Support, der Beistand von Bindungspartnern, bewirkt die Ausschüttung von Oxytocin und einen messbaren Rückgang von Stressparametern. Umgekehrt ist es Unsinn, zu glauben, ein Hund würde sich schuldig fühlen, wenn er z.B. in unserer Abwesenheit auf den Teppich gepieselt hat – dazu müsste er moralische Einsicht haben. Er hat aber höchstens frühere Strafen, unser (beängstigendes) Verhalten, mit dem Vorhandensein von Hundepipi in der Wohnung verknüpft und beschwichtigt schon mal vorsichtshalber.

Dem Hund Gefühle wie Scham, Schadenfreude, Unverschämtheit oder Trotz zu unterstellen, ist also tatsächlich „Vermenschlichung“.

Emotionen wie Wut oder Angst hingegen sind messbar vorhanden. Sie lösen Stress aus und können die Lebensqualität von Hunden beeinträchtigen, sogar ernsthaft krank machen. Wir müssen sie also ernst nehmen, damit es unserem Hund gut geht. Wir spielen ja auch mit ihm, weil er Freude daran hat! Wir glauben sofort, dass unser Hund uns liebt – den Hund zwei Häuser weiter hassen „darf“ er aber nicht. Wenn wir unseren Hund mit seinen Emotionen annehmen wollen, dann auch mit allen! Mit gezieltem Training können wir ihm ja helfen, seine Emotionen zu verändern, damit er nicht mehr vor Traktoren flüchten oder den Nachbarshund antoben muss. Sie zu verbieten oder zu unterdrücken, bringt dagegen einfach nichts. Wenn wir uns nun über ein bestimmtes Verhalten unseres Hundes wundern oder ärgern, lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen: Was ist wirklich zu beobachten (Körperhaltung, Mimik, Atmung etc.) und wo ist bei unserer Interpretation seines Verhaltens ein Werturteil im Spiel? Schließlich möchten wir doch alle unseren Hund besser verstehen.